Ein Tag im Leben eines Hotelfotgrafen

Hotelfotograf entspannt unter Palmen während die Kamera automatisch fotografiert.

Entspannung unter Palmen, während die Kamera automatisch fotografiert :-)

Wie sieht so ein Tag als Hotelfotograf tatsächlich aus? Unter Palmen chillen, einen Cocktail schlürfen und beobachten, wie die Kamera am Stativ selbstständig Fotos macht? Ja, kommt vor.
Zum 20. Mal in den 3. Stock laufen, weil in einem Flur immer noch kein Licht brennt und sich gleichzeitig die Blaustunde für das geplante Dämmerungsfoto dem Ende zuneigt? Jep, auch das kommt vor. Zwischen beinahe Urlaub und beinahe Nervenzusammenbruch ist die Bandbreite also relativ groß..

Überhaupt gleicht logischerweise kaum ein Hotel Shooting dem nächsten, da die Voraussetzungen immer unterschiedlich sind: Manchmal arbeite ich 1 Woche in einem Hotel, manchmal nur einen halben Tag, manchmal mit einer ganzen Crew (Assistent, Models, Stylisten, Marketing Manager vom Hotel etc.), manchmal bin ich im ganzen Hotel alleine (wörtlich gemeint), manchmal benötige ich vor Ort einen ganzen Tag für Scouting und dann bin ich vielleicht wieder zum 4. Mal in einem bestimmten Hotel und weiß ganz genau, dass ich nur von der einen Suite ein neues Badezimmer Foto machen muss.

In den folgenden Zeilen werde ich also versuchen, einen so „normal“ wie möglichen Tag on Location zu skizzieren. Hierbei arbeite und schlafe ich im gleichen Hotel.

Der Morgen

Ich würde mich zwar nicht als extremen Langschläfer bezeichnen, aber definitiv auch nicht als passionierten Frühaufsteher. Daher schätze ich es sehr, wenn der Wecker nicht vor 07:30 Uhr klingelt. Jetzt ist es aber so, dass bekanntlich die Zeiten rund um Sonnenaufgang und Sonnenuntergang die absoluten Primetimes der Fotografie sind und es natürlich schade wäre, 50 % davon zu verpassen? Alles schön und gut, aber wenn man einmal in Nordeuropa im Juni fotografiert hat (04:30 Uhr bis 22:30), verliert man den Spaß ein wenig..und den Schlaf.

Und während ich am Anfang meiner Karriere tatsächlich oft vom Morgengrauen bis zum Einbruch der Nacht fotografiert habe, bin ich diesbezüglich in den letzten Jahren, nicht zuletzt aufgrund einiger gesundheitlicher Probleme viel strenger geworden. Meine klare Regel lautet nun: Entweder Blaustunde / Goldene Stunde am Morgen ODER am Abend. Nie beides am selben Tag.
Im Allgemeinen wird es dann zu 90 % der Abend, da es logistisch meist einfacher ist - Stichwort Licht in den Zimmern, Lärmbelästigung für die Gäste, kein Personal in Restaurant / Bar etc. Gehen wir in unserem Beispiel also von einem typischen Morgen ohne (frühmorgendlicher) Fotografie aus. Das erste, was ich nach dem Aufstehen mache, ist es, alle Akkus für Kameras, Blitze, iPad und anderes Zubehör zu checken. Die Chancen stehen meist recht gut, dass ich am Vorabend in einem Anfall von Müdigkeit irgendwas vergessen habe, ans Ladegerät anzustecken.
An dieser Stelle habe ich also noch mal die Chancen auf 1-2 Stunden Ladezeit.
Nach der Morgenhygiene folgt dann ein kleiner Realitycheck was den Wetterbericht angeht - nämlich der Blick aus dem Fenster. Falls das Wetter für die geplanten Fotos eine Rolle spielt und die Witterungsbedingungen signifikant von der Vorhersage abweichen, habe ich am Weg zum Frühstück schon mal was zum Grübeln. Stichwort Frühstück: Damit verhält es sich ähnlich wie mit dem Schlaf, um die beste Version von mir zu sein, brauche ich einfach eine gute Basis. Es muss also immer Zeit für ein Frühstück sein. Sollte das Hotel kein Frühstück anbieten, suche ich irgendein Café dafür auf.

Ein gutes Frühstück ist ein wesentlicher Teil für einen erfolgreichen Tag als Hotelfotograf.

Nicht verhandelbar.

Neben dem offensichtlichen Zweck der Nahrungsaufnahme dient das Frühstück für mich auch meist als Planung / Besprechung für den Tag. Hier komme ich mit meiner Assistentin zusammen (falls auf dem Shoot dabei), bespreche mich mit dem Hotel Manager / Marketing Manager oder gehe einfach für mich alleine die Shotliste durch und mache mir Notizen, was den geplanten Ablauf angeht (meist ganz simpel in der Notizen App auf meinem iPhone). Stichwort Shot Liste: Im Idealfall ist die Frage, was fotografiert wird, schon lange im Vorfeld klar bzw. zumindest am Vortag mit den zuständigen Personen des Hotels abgesprochen worden. Die morgendliche Zusammenkunft dient dann dazu, etwaige Adaptionen vorzunehmen: Ein Beispiel wäre, dass Zimmer X spontan eine Anreise bekommt und daher als erstes fotografiert werden sollte, um dann rechtzeitig für den Check In wieder fertig zu sein. Oder eben, dass es nun doch regnet und das Foto von der Restaurantterrasse vielleicht am kommenden Tag besser wäre etc. etc.
Wenn dann alles klar ist, packe ich in meinem Zimmer die notwendige Ausrüstung (jetzt hoffentlich alles geladen) zusammen und der Tag kann beginnen.

Der Tag

Um hier nicht den Rahmen dieses Beitrags zu sprengen, gehen wir mal davon aus, dass an diesem Tag nur verschiedene Zimmerfotos geplant sind. Neben meiner Standardausrüstung für Zimmerfotos (Kamera, CamRanger zur Steuerung der Kamera via iPad, Tilt Shift Objektiv, Teleobjektiv für Details, iPad, Blitz) bringe ich meist auch ein paar Bücher sowie ggf. Blumenarrangements zur Dekoration mit. Das ganze erfolgt natürlich in Absprache mit dem Kunden und sollte nicht übertrieben werden - schließlich sollte man kein allzu weit von der Realität abweichendes Bild erzeugen.

Sofern ich die einzelnen Perspektiven noch nicht im Rahmen eines Scoutingtages festgelegt habe, laufe ich erst mal mit meinem iPhone durch das Zimmer und fotografiere damit aus den verschiedensten Positionen. Die Qualität des Smartphones reicht völlig aus, um ein Gefühl zu bekommen, welche Perspektiven funktionieren könnten und welche nicht. Wichtig dabei ist es, eine gute Balance zwischen Weitwinkel und Detail zu finden. In den meisten Fällen (wir sprechen von einem durchschnittlich großen Hotelzimmer) mache ich je ein weitwinkliges Übersichtsfoto bzw. Titelfoto von Zimmer und Bad, gefolgt von 1-2 Detailfotos, um quasi die Seele des Zimmers visuell einzufangen. Dies hängt aber natürlich immer stark von den individuellen Anforderungen vonseiten des Hotels ab.

Hotelfotograf Simon Bernlieger mit mobilem Blitz in Zimmer

Mit Blitz und Ipad in der Hand

Sobald ich eine Perspektive gefunden habe, baue ich meine Kamera und Stativ entsprechend auf und verbinde meinen CamRanger - der erzeugt quasi ein Wifi Netzwerk und erlaubt es mir, die Kamera völlig kabellos über ein iPad zu bedienen. Dies ist für meine Art ein Hotelzimmer am Fotografieren enorm wichtig:
Um eine optimale Belichtung und vor allem reale Farben zu bekommen, leuchte ich verschiedene Teile eines Raums jeweils mit einem Blitz aus. Die Möglichkeit, die Kamera am iPad auszulösen, erlaubt es mir, mich völlig frei mit dem Blitz in der einen Hand und dem Tablet in der anderen Hand durch das Zimmer zu bewegen - dies erspart mir meist das Aufstellen von Lampenstativen.

Außerdem wäre es sowieso nicht möglich, den Auslöser direkt an der Kamera zu betätigen, da so immer wieder kleine Erschütterungen das Bild minimal verwackeln würden. Da ich die einzelnen Aufnahmen in der Nachbearbeitung zusammenfüge, würden mir diese leicht verschobenen Fotos Kopfschmerzen bereiten.
Bevor dieser eigentliche Teil des Fotografierens allerdings losgeht, vergeht viel Zeit damit, den Raum zu stylen. Als ersten Schritt mache ich mich daran, alles zu entfernen, was stört: Mülleimer, Rauchverbot Schilder, antiquierte Telefone (braucht heutzutage ja wirklich kaum jemand mehr und sehen meistens auch sehr bescheiden aus), unnötige Kabelsalate etc. Dann geht es darum, die Bettdecken sowie die Polster und auch die Vorhänge optimal gerade zu ziehen und so faltenfrei wie möglich zu bekommen. Oft hilft es dabei, z. B., die Bettdecken auf die der Kamera abgewandten Seite so straff wie möglich zu ziehen und anschließend mit Klammern zu fixieren. Klar lässt sich vieles davon auch in der Nachbearbeitung erledigen, aber alles, was man vor Ort schafft, ist einfach besser und wirkt hinterher natürlicher.
Neben diesen kleineren Veränderungen kommt es sehr oft vor, dass ich auch ganze Möbelstücke verrücke. Dies liegt daran, dass aufgrund der Weitwinkel Verzerrung des Objektivs manch ein Stuhl einfach viel zu groß wirkt oder einfach komisch aussieht - ein paar Zentimeter nach rechts oder links gedreht verbessern die Optik dabei oft gewaltig.

Zu guter Letzt ist es an der Zeit, das eine oder andere dekorative Accessoire als Sahnehäubchen hinzuzufügen. Das kann ein aufgeschlagener Bildband, ein Glas Wein, eine Blume, eine Uhr, eine Sonnenbrille oder z. B., eine geworfene Tagesdecke sein. Wie oben erwähnt ist dies allerdings kein Muss und stark von der gewünschten Bildsprache abhängig.

Hotelfotograf Simon Bernlieger stylt ein Zimmer

Noch ein Zentimeter rechts, nein doch links…

All diese Stylingschritte erfolgen natürlich mit dem iPad in der Hand, dadurch kann ich jede noch so kleine Veränderung im Raum in Echtzeit am Foto überprüfen. Noch besser: Wenn z. B., der Kunde oder eine andere verantwortliche Person beim Shooting mit dabei ist, kann ich ihr/ihm ein weiteres iPad aushändigen, worauf alle Arbeitsschritte live mitverfolgt werden können.
Es lässt sich sicherlich schon erahnen, dass ich nicht unbedingt ein Weltmeister in Sachen Geschwindigkeit bin. Aber Gut Ding braucht ja bekanntlich Weile … und so benötige ich schon ca. 40 min bis 2 h (je nach Größe und Komplexität) pro Zimmer. Daraus resultiert auch meine maximale Fotoanzahl pro Tag, die meist bei 15-20 liegt.
Entgegen der weitverbreiteten Meinung ist die Hotelfotografie auch von der körperlichen Anstrengung her nicht zu unterschätzen - ich sage nur Türen aushängen und wieder einhängen, Tische herumtragen, Equipment und Deko zig mal in den 3. Stock tragen, sich im letzten Eck eines Zimmers hinter der Kamera verrenken, praktisch immer auf den Beinen sein etc.
Deshalb ist es nach 4-5 Stunden Arbeit auch Zeit für eine Pause - idealerweise in Form eines Mittagessens. Dafür gilt ähnliches wie für das Frühstück - sehr, sehr wichtig ;-)
Nach dem Essen gönne ich mir meist noch ein paar Minuten für mich zum Durchatmen, aber auch zur Datensicherung der vormittags gemachten Fotos, Tauschen von Akkus etc. Hoffentlich wieder voller Energie gehts dann wieder weiter mit dem Fotografieren - in unserem Beispiel mit den Zimmerfotos quasi analog zum Vormittag.

Der Abend

Hotelfotograf vor dem Hotel Post in Riesenbeck

Warten auf das perfekte Licht

Wie schon weiter oben beschrieben, dreht sich abends alles um Dämmerungsfotos in der berühmten Blauen Stunde. Da hier nur ein kleines Zeitfenster von etwa 40 min besteht, ist eine sorgfältige Planung von größter Bedeutung. Im Prinzip gehen sich entweder 1-2 Indoor Fotos oder 1-2 Außenaufnahmen auf. Dabei ist der typische Hero Shot vom Hotel von außen wohl der gefragteste Blickwinkel und eigentlich Teil jedes Auftrages. Hierbei positioniere ich die Kamera kurz vor Sonnenuntergang und machen dann, bis es dunkel ist, jeweils alle paar Minuten ein Foto. Dadurch habe ich hinterher in der Bearbeitung, was das Licht angeht, alle Möglichkeiten offen.

Elementar für ein gelungenes Foto ist natürlich auch das Licht im Hotel - hier spreche ich es mit dem Management meist so ab, dass einerseits die Gäste gebeten werden, abends das Licht in ihren Zimmern einzuschalten und andererseits ein MitarbeiterIn durchs Haus geht und in den nicht belegten Räumlichkeiten Licht anmacht. An dieser Stelle ist auch wichtig zu betonen, dass keinesfalls ÜBERALL Licht brennen muss. Schließlich sollte alles möglichst natürlich wirken - Licht in 2/3 der Zimmer ist ein guter Richtwert.

Je nach Jahreszeit finden diese Dämmerungsfotos direkt im Anschluss an das “Nachmittagsprogramm” statt oder aber erst relativ spät nach dem Abendessen (apropos Abendessen, ich glaube, ich brauche an dieser Stelle nicht mehr erwähnen, dass ein gut gefüllter Magen wichtig für mich ist).

Wenn es dann (ausgehend von einem Shooting im Sommer) nach den Dämmerungsfotos zurück ins Zimmer geht, ist es meist nach 22:00 Uhr. Die höchste Priorität hat dann die Sicherung aller am Tag gemachten Fotos - das heißt die Inhalte der SD Karten werden auf meinen Laptop übertragen und bleiben zusätzlich aber auf der Karte, so gibt es immer ein Duplikat. Nachdem ich dann wieder alle Akkus an die Ladegeräte stecke, setze ich mich je nach Müdigkeit noch mal vor den Laptop und antworte auf etwaige wichtige E-Mails und schaue schon mal die im Laufe des Tages gemachten Fotos durch. Hin und da bearbeite ich auch gleich mal ein Bild, um dem Kunden am nächsten Tag eine Freude zu machen bzw.

Zu guter Letzt versuche ich vor dem Schlafengehen auch meist zumindest eine Stunde Freizeit zu haben …also abendliche Dusche, Telefonat mit der Freundin, Lesen (meist jedoch eher der Social Media Sucht frönen) etc.

Gegen Mitternacht heißt es dann ab ins Bett und gute Nacht.

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Die Farben gefallen nicht?!

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Etwas näher bitte - warum man nicht (immer) alles aufs Foto bekommen muss.