Die Farben gefallen nicht?!

Farbstiche in der Hotelfotografie, am Beispiel eines roten Sofas

“Buh..die Farben sehen auf den Fotos irgendwie anders aus als in Wirklichkeit.” Dies ist wohl ein Satz, mit dem sich jeder Hotelfotograf irgendwann mal beschäftigen muss. Der Kunde findet die Farben zu gesättigt oder vielleicht doch zu wenig kräftig, zu rötlich oder zu bläulich, zu verwaschen oder doch zu knallend etc.

Es sollte zunächst festgehalten werden, dass es in der Hotelfotografie bzw. Innenraumfotografie einfach keine „perfekten“ Farben gibt. Im Gegensatz zu einem Mode-Shooting im Studio ist das Licht nie zu 100 % kontrollierbar, insbesondere wenn Fenster Tageslicht hereinlassen oder die vorhandene Innenraumbeleuchtung eine Rolle spielt. Aber was hat Licht mit Farben zu tun?
Eine ganze Menge.
Denken Sie an eine weiße Bettwäsche in einem Hotelzimmer mit einem schönen, großen Fenster. Wie würde diese Bettwäsche in der warmen Abendsonne aussehen? Wie an einem verregneten Tag? Ich denke, wir sind uns einig, dass der weiße Stoff bei Sonnenuntergang einen leichten Gelb- bzw. Orange Ton annehmen würde, während bei Regenwetter das Weiß viel eher weiß wäre (wenn auch nicht perfekt). Der Unterschied wird noch drastischer, wenn wir an dem verregneten Tag dann das Licht im Zimmer einschalten. In der Hoffnung, dass der Innenarchitekt nicht völlig verpeilt war, handelt es sich um ein gemütliches, angenehmes warm(weißes) Licht. Dadurch erhält das gesamte Zimmer sofort einen leichten Gelbstich – das Bettlaken wird wieder leicht gelb anstatt weiß, der Marmorboden wirkt plötzlich bräunlicher, fast schon schmutzig und so weiter.

Hotelbett zeigt unterschiedliche Farben im Tagesverlauf

Unterschiedliche Farben je nach Witterung und Sonnenstand

Neben diesen direkten Farbveränderungen durch Licht mit verschiedenen Farbtemperaturen gibt es auch noch die indirekte Variante, die in der Hotelfotografie oft eine Herausforderung darstellt:
Stellen Sie ich einen Raum mit grünen, vorgezogenen Vorhängen vor. Das eintretende Tageslicht trifft auf den grünen Vorhang, der wiederum in weiterer Folge einen deutlichen Grünstich ins Zimmer bringt. Die weiße Bettwäsche aus unserem ersten Beispiel erscheint jetzt leicht grünlich und daher eher unansehnlich.

Unterbelichte Aufnahme, Blitz erhellt den Raum und beseitigt Farbstiche, fertiges Foto;
v.o.n.u

Der einzige Weg, die Farben zumindest zu 90 % präzise wiederzugeben, besteht im Einsatz von Blitzlicht.
Ein hochwertiges Blitzgerät reproduziert quasi die Farbtemperatur des Tageslichts (ungefähr 5600K). Durch die Verwendung von Zubehör wie einer Softbox, einer Bounce Card oder einfach einer weißen Zimmerdecke als Reflektor kann man so annähernd "pure" Farben erzielen. Damit dies effektiv funktioniert, muss jedoch das Blitzlicht stärker sein als andere Lichtquellen im Raum, wie beispielsweise Fenster oder eingeschaltete Leuchten. In der Praxis unterbelichte ich den Raum so sehr, dass Fenster und Innenbeleuchtung das Zimmer bzw. die Einrichtung nicht mehr relevant beleuchten (siehe Foto) und verwende dann den Blitz, der für das eigentliche Licht im Foto sorgt. 
Mit dieser Methode gewinnt man zwar eine präzise Farbwiedergabe der Einrichtung, kann jedoch unter Umständen ein Stück Gemütlichkeit oder Natürlichkeit einbüßen.
Um das bestmögliche Ergebnis zu erhalten, gilt es sowohl vor Ort als auch in der Nachbearbeitung eine gute Balance aus Farbtreue durch den Einsatz von Blitzgeräten, kombiniert mit natürlichem Licht zu finden. Das ist nicht immer einfach und erfordert definitiv viel Fingerspitzengefühl und einiges an Erfahrung.
Wenn man das fertige professionelle Foto dann mit einem schnellen Smartphone Schnappschuss vergleicht, sehen die Farben logischerweise anders aus und dies führt bei einigen Kunden zu Verunsicherung.
Apropos Smartphone: Neben der oben beschriebenen Tatsache, dass das Licht die Farben immer ein wenig anders aussehen lässt, sieht ein und das gleiche Foto leider auch auf jedem Bildschirm (es gibt ein breites Technologie und Qualitätsspektrum) unterschiedlich aus.
Meist läuft die Sache so, dass ich nach dem Shooting die Fotos auf meinem professionellen und kalibrierten Monitor (ich werde hier der Einfachheit halber nicht auf Details wie verschiedene Farbräume eingehen) mit meinen (definitiv nicht perfekten) Augen bearbeite. Und zwar so, wie ich persönlich die Bilder am ansprechendsten finde - also eine sehr subjektive Beurteilung.
Nach der Bearbeitung erhalten die Kunden die Fotos und betrachten sie unter Umständen auf einem kostengünstigen Office-Monitor. Abhängig von der Display-Technologie können die Aufnahmen plötzlich übermäßigen Kontrast aufweisen oder im Gegenteil völlig kontrastarm sein, wodurch die Farben extrem verwaschen erscheinen. Der potenzielle Hotelgast wiederum sieht sich die Fotos dann wahrscheinlich stark komprimiert in irgendeiner OTA App (wie z. B. Booking, Expedia etc.) am Smartphone an. Sie haben es schon erraten, die Bilder werden wieder anders aussehen.

Color Grading

Diese Problematik gibt es natürlich nicht nur in der Fotografie, sondern im etwas größeren Maßstab auch in der Filmindustrie. Beim Color Grading muss darauf geachtet werden, dass der neue Hollywood-Film nicht nur im Kino gut aussieht, sondern auch auf dem heimischen TV-Gerät ansprechend wirkt. Daher gehört zu vielen professionellen Color Grading-Setups neben den Profimonitoren auch ein durchschnittliches TV-Gerät als Referenz. Gerade im Zeitalter von Netflix und Co. spielt dies eine noch größere Rolle.
Umgelegt auf die Hotelfotografie lässt sich sagen, dass der Großteil der potenziellen Gäste die Fotos mittlerweile auf dem Smartphone konsumiert. Daher checke ich jedes Foto während der Bearbeitung auch auf meinem iPhone bzw. iPad - denn genau dort sollte es am besten aussehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Farben bzw. die Farbwahrnehmung etwas sehr Subjektives ist und es einfach kein richtig oder falsch gibt. Viel wichtiger als der möglicherweise etwas zu warme Beigeton eines Sofas in der Ecke ist es, ein allgemein ansprechendes Foto zu erstellen, das die Räumlichkeiten bestmöglich präsentiert und potenziellen Gästen gefällt. Denn für den Gast vor Ort sehen die Farben im Hotel sowieso je nach Tageszeit und Witterung immer ein wenig anders aus.

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Ein Tag im Leben eines Hotelfotgrafen